August Moritz von Thümmel,
Bildquelle: http://www.literatur-live.de/
thuemmel/thuemmel.htm
Der ‚reisende Epikureer’ August Moritz von Thümmel kommt in dem Bericht seiner Reise in die mittäglichen Provinzen von Frankreich im Jahre 1785 – 1786 (erstmals 1791 – 1805 gedruckt) auf d’Argens Grabmal in der Minoritenkirche in Aix-en-Provence zu sprechen. Einer von Skepsis geprägten Beschreibung der ihm düster und freudlos erscheinenden Stadt setzt er folgende Verse hinzu:
„Ihr weises Parlament hält Bürgerschaft und Adel
In gleicher Mäßigkeit und Ruh,
Und dreht hier jeden Kopf, wie der Magnet die Nadel,
Dem Gegenpol der Freude zu.
Gewohntes Beispiel, träger Wille
Gießt Oel auch in des Jünglings Blut,
Und in den Gassen herrscht solch eine Sabbatsstille,
Wie auf dem Markt zu Herrenhut.
Auch fühlt’ ich gleich in Einem Vormittage,
So gut als hätt’ ich es schon Jahre lang gefühlt,
Wie wenig mir ein Puppenspiel behage,
Wo Harlekin die zweite Rolle spielt.
Indem mich nun der Geist der Langenweile
So vor sich her, gleich einem Kreisel trieb,
Rief mir mein Taschenbuch zum Glück ins Ohr, ich eile
Dem Tempel jetzt vorbei, wo Friedrich eine Zeile,
Und zwar die einzige für einen Tempel, schrieb,
Weil seinem d’Argens hier, dem Feinde
Des Irrthums und der Wahrheit Freunde,
Das letzte Ruheplätzchen blieb.
Welch Auge blickt nicht gern nach einer Myrthenkrone,
Die, sonder Neid, ein Mitgenoß
Der Seligkeit am Helikone
Um seines Freundes Urne schloß! –
Dem Zuruf eines Aschenkruges
Von dieser Seltenheit geh’ nie mein Stab vorbei!
Doch hier – betrogne Phantasie! –
Fand ich, statt Friedrichs Wort, ein hämisch aberkluges,
Verworrnes Epitaph im Styl der Klerisei,
Das mir bewies, das nie im Weichbild der Abtei
Ein Feind des Irrthums und Betruges
Zu seiner Ruh gekommen sey.“
Zu seinen Versen setzt von Thümmel folgende erläuternde Worte:
„Noch einige Worte zur besseren Erläuterung dieses Textes. Ich fragte den Minoriten, der mich in seiner Klosterkirche herumführte und den Teppich abnahm, mit dem das marmorne Monument des guten d’Argens bedeckt war, warum man denn die kurzen königlichen Worte mit einem solchen Schwall anderer vertauscht hätte, als ich hier in goldenen Buchstaben vor mir sah? – ‚Weil wir sie’, antwortete er mit dummer Aufrichtigkeit, ‚in dem Sinne nicht brauchen konnten, die der König hinein legte. Die Freigebigkeit des königlichen Ketzers trugen wir kein bedenken zur Verschönerung unsrer Kirche zu benutzen; aber seiner heidnischen Inschrift geschah nicht mehr als Recht, da sie auf befehl unserer Oberen wegbleiben mußte’. ‚Diese Abweichung’, antwortete ich, ‚würde sich kein Kloster in Schlesien erlaubt haben.’ – ‚Auch wir nicht,’ lachte er laut auf, ‚wenn wir dem Tyrannen so nahe wären als jene; aber die Entfernung, mein Herr – bedenken Sie nur die Entfernung!’ – Ich brauchte wahrscheinlich dieser seiner Erinnerung nicht, und fühlte es in diesem Augenblicke nur zu sehr, wie weit ich von Berlin verschlagen war. Ich hätte mich mit der französischen Aufschrift begnügen sollen: denn bei dem haut et puissant Seigneur; mit dem Nachsatze Chambellan, verzog sich mein Mund doch nur zum Lächeln; die Lateinische hingegen erweckte nichts weiter in mir als Aerger. ‚Instante morte,’ wiederholte ich laut und drehte mich nach dem Mönch – ‚Aber, lieber Mann, ist es denn auch so gewiß, als Ihr Latein sagt, dass sich der Marquis noch auf seinem Todbette zu dem Glauben seiner Väter bekehrt hat?’ – ‚O nichts weniger’, fiel der Minorit ein; ‚das ist nur ein Anstrich, den wir der Sache gaben! Nein, mein Herr, er ist gestorben – Sie werden es hören, wenn Sie nach Toulon kommen – wie er gelebt hat: Erroris inimicus – veritatis amator. Er verlangte hier, in seinem Erbbegräbniß, beigesetzt zu werden. – Angemerkt haben wir es auf dem Epitaph – aber wir wussten es zu verhindern: denn was kümmert uns die Asche eines Abtrünnigen, der Judenbriefe geschrieben und Freund und Anhänger Friedrichs des Großen, oder vielmehr, wie wir das Frédéric le Grand auf der Inschrift verstehen – des größten Freigeists unseres Jahrhunderts war!’ – ‚Dummes Geschöpf! Dachte ich, und suchte es ihm noch durch meine Blicke zu verstehen zu geben, als ich die Kirche verließ. „
(A.M. von Thümmels Sämmtliche Werke, Vierter Band, Leipzig: Göschen, 1856, S. 31-33). |