Dr. J. Levy: Friedrich II und Moses Mendelssohn, in: Vossische Zeitung, Beilage "Das Unterhaltungsblatt" vom 9. November 1928 und Antwort von Dr. Bruno Strauß, in: Vossische Zeitung vom 18. November 1928, Beilage, Rubrik 'Briefe an die Vossische Zeitung':
Als Friedrich II. die Freimaurerei nach Preußen verpflanzte, war Moses Mendelssohn, der Dessauer Jude, zehn Jahre alt, um 1750 etwas über zwanzig Jahre. Er war nach Berlin gekommen als Angestellter eines Seidenfabrikanten, war geraume Zeit nur wenig Personen bekannt, und zwar lediglich als Buchhalter. Am 28. August 1752 verfügte der König, daß neue Judenfamilien sich im Lande nicht einschleichen und ansetzen dürften und wenn die zugelassene Zahl der Juden überstiegen sei, einzelne des genossenen Schutzes ungeachtet aus dem Lande geschafft werden sollten. Erich S c h m i d t in seiner „Geschichte Lessings“ bemerkt, daß Friedrich die Juden nur als brave Steuerzahler duldete und schröpfte. Jeder Jude musste bei der Heirat für dreihundert Taler Porzellan aus der königlichen Manufaktur kaufen. Juden wurden wie Vieh verzollt. Sie durften nur zu einem bestimmten Tor in Berlin einziehen. Sie unterlagen den mannigfachsten Erpressungen und Bedrückungen. Einer Vorliebe für die Juden, wie man auch sonst über ihn urteile, war Fridericus jedenfalls unverdächtig, auch einem Einfluß Moses Mendelssohn, wäre solcher versucht worden, unzugänglich.
Moses Mendelssohn hatte nach Collin eine Trostpredigt, nach Rossbach eine Dankpredigt verfasst und war ein begeisterter Vorkämpfer des Deutschtums. Aber da er nicht geborener Preuße war, konnte er nach dem Judenreglement von 1750 nur unter dem Schutz eines ansässigen Juden im Lande bleiben. Als der Marquis d' Argens, Friedrichs philosophischer Gesellschafter, von diesem Reglement erfuhr, fragte er verwundert: „Aber notre cher Moise trifft dies doch nicht?“ – „O ja, er wird nur geduldet, weil er im Dienst des Fabrikanten Bernhard steht. Wenn dieser ihn heute entläßt, und er keinen anderen Schutzjuden findet, würde ihn die Polizei zwingen, noch heute die Stadt zu verlassen.“ Diese Antwort erschien dem Marquis unglaublich. Ein so weiser und rechtschaffener Mann, als welcher Moses bereits geschätzt wurde, sollte der Gefahr so niedriger Behandlung ausgesetzt sein? Er befragte Mendelssohn, der erwiderte: Sokrates habe seinen Freund Kriton bewiesen, daß der Weise schuldig sei, zu sterben, wenn die Gesetze des Staates erfordern. Es sei also noch milde, daß die Gesetze ihn nur austreiben, wenn er nicht bei Entlassung von Bernhard einen Trödeljuden finde, der ihn für seinen Diener erkläre. Der Marquis d' Argens bestand darauf, daß Mendelssohn, der sich inzwischen verheiratet hatte, ein Gesuch um das „Privileg“ an den König richtete, die Bitte um den Schutz für sich und seine Nachkommen „nebst den Freiheiten, die Dero Untertanen zu genießen haben“. Diese Bittschrift wurde dem König von d' Argens persönlich überreicht und befürwortet, im April 1763, und – blieb unerhört. Als sie auf d' Argens Drängen am 13. Juli 1763 wiederholt wurde, fügte der Marquis im eigenen Namen hinzu:
„Ein schlechter katholischer Philosoph bittet einen schlechten protestantischen Philosophen, das Privileg einem schlechten jüdischen Philosophen zu geben. In alledem ist zu viel Philosophie, als daß nicht die Vernunft auf Seiten des Gesuchs wäre.“
Worauf denn das Privileg am 26. Oktober 1763 Mendelssohn persönlich bewilligt, der Nachkommenschaft aber verweigert wurde.
Als Mendessohn noch unbekannt war, hatte die Akademie der Wissenschaft einer von ihm eingereichten Schrift den Preis erteilt. Als der Verfasser des „P h a e d o n“ in aller Welt berühmt war, wählte ihn dieselbe Akademie zu ihrem ordentlichen Mitglied. Im Februar 1771. Dem König lag die Bestätigung der Vorschlagsliste ob, auf der Mendelssohns Name neben andern stand. Sie blieb lange unerledigt und wurde dann als nicht angelangt behandelt. Unwirsch schrieb der König, die Akademie solle in Zukunft die Aktenstücke mit mehr Sorgfalt behandeln, auch eine neue Liste einreichen. Als auch auf dieser Mendelssohns Name stand, strich ihn der Philosoph von Sanssouci. Der also ausgezeichnete Freund Lessings tröstete sich, es sei besser, daß die Akademie ihn für würdig befunden, der König aber ihn verworfen habe, als daß er vom König vorgeschlagen, von der Akademie aber abgelehnt worden wäre.
Dr. J. Levy
D' Argens und Mendelssohn
Berlin, 14. November
An die Redaktion der „Vossischen Zeitung“
Die Beziehungen zwischen Friedrich dem Großen und Moses Mendelssohn, die kürzlich in der „Vossischen Zeitung“ (9. November, Nr. 264) von Dr. J. Levy geschildert wurden, sind so interessant, daß sie, zumal in den landläufigen Vorstellungen dieser Epoche zumeist Falsches und Lügenhaftes darüber gesagt wird, wohl eine umfassendere Bearbeitung verdienten. Dazu ist hier freilich nicht der Raum. Die in Vorbereitung befindliche Jubiläumsausgabe der Werke und Briefe Moses Mendelssohns wird auch zu dieser Frage neue Klärung beitragen können.
Hier sei nur kurz auf einen Uebersetzungsirrtum hingewiesen, der sich in den sonst sehr dankenswerten Ausführungen Dr. Levys findet.
Die berühmte Nachschrift, die der Marquis d' Argens, der philosophische Freund Friedrichs, dem Gesuche Mendelssohns um Gewährung eines Schutzbriefes für sich und seine Nachkommen beifügte, ist uns von Nicolai in seinen „Anekdoten vom König Friedrich II. (Berlin und Stettin 1788)“ überliefert worden. Der französische Text lautet dort: „Un Philosophe mauvais catholique supplie un Philosophe mauvais protestant de donner le privilège à un Philosophe mauvais juif. Il y a trop de philosophie dans tout ceci pour que la raison ne soit pas du côté de la demande. “
Sophie Becker, die Freundin Elisens von der Recke, Mendelssohns und der Berliner Aufklärer, überliefert uns in ihrem Tagebuche (Vor hundert Jahren … Neue Ausgabe Stuttgart 1884) den Text in einer etwas veränderten (übrigens höchstwahrscheinlich ebenfalls aus dem Munde Nicolais stammenden) Fassung, in welcher der erste Satz lautet: „A un roi philosophe mauvais lutherin, supplie un philosophe, mauvais catholique, pour un philosophe, mauvais juif....“
Dr. Levy übersetzt nun diese Worte: „Ein schlechter katholischer Philosoph bittet einen schlechten protestantischen Philosophen, das Privileg einem schlechten jüdischen Philosophen zu geben. In alledem ist zu viel Philosophie, als daß nicht die Vernunft auf Seiten des Gesuchs wäre.“
Offenbar geht die eigentliche Pointe des außerordentlich witzigen französischen Epigramms bei dieser Uebersetzung verloren. Denn was wollte der Marquis d' Argens sagen? Er ruft in dem König den „P h i l o s o p h e n von Sanssouci“ auf und stellt das unphilosophische Vorurteil Friedrichs gegen den j ü d i s c h e n Philosophen Moses Mendelssohn bloß, indem er sowohl in der Philosophie wie in der Geringschätzung der überlieferten Religion (für Mendelssohn freilich mit Unrecht!) eine Gemeinschaft zwischen den drei Männern feststellt. „Gegen die Religion Gottisen zu Markte zu bringen“, war ja nach Lessings Worten damals dem Freunde Friedrichs des Großen gern gestattet; darauf reduzierte sich aber auch einzig und allein, nach dem gleichen Lessing - Worte , jene berühmte Berlinische Freiheit!
Die Uebersetzung muß demnach etwa lauten: „Ein P h i l o s o p h , der ein schlechter Katholik ist, bittet einen P h i l o s o p h e n , der ein schlechter Protestant ist, um das Privilegium für einen P h i l o s o p h e n , der ein schlechter Jude ist. Hierin steckt zu viel P h i l o s o p h i e , als daß die Vernunft nicht auf seiten des Gesuches stände.“ Dr. Bruno Strauß
|