Compte rendu
de l'Histoire de l'esprit humain, in: Hallische neue gelehrte Zeitungen du 10 juillet 1766, p. 441-445 et du 1er octobre 1767, p. 621-624
Berlin.
Haude und Spener haben verlegt: Histoire de l' Esprit humain ou memoires secrets et universelles de la Republique des lettres par M. Iean Bapt. de Boyer Marquis d' Argens – 6 Bände in 8 vo . Der H. Verf. sagt, daß er 36 Jahr zugebracht habe, um dieses Werk in den gegenwärtigen Zustand zu setzen, und er gesteht, daß ein aufmerksamer Leser auf diese Art in sechs Wochen alles wissen könne, was ihn fast die ganze Zeit seines Lebens beschäftiget habe. Der Nutzen, welchen er von diesem Werke dem Publico verspricht, ist nicht geringe. Mon projet a été, sagt er, que mon ouvrage put servir de Bibliotheque locale à ceux, qui en ont une très – ample et de Bibliotheque Universelle à ceux à qui leur situation ou la mediocrité de leur fortune ne permet pas d' avoir un grand nombre de livres. Diesen Nutzen würde auch diese Arbeit haben, wenn sie nach dem Versprechen des H. Verf. ausgeführt worden wäre. Er will, seiner Erklärung nach, dem Leser auf einmahl übersehen lassen, was die gelehrtesten und berühmtesten Schriftsteller in allen Zeitaltern gesagt haben, und auf diese Weise den Fortgang des menschlichen Verstandes, und den Weg, den er gegangen ist, um dahin zu gelangen, wo er 441|442 jetzt ist, zeigen. Ob man eine solche Geschichte aus diesem Buche zusammensetzen könne, wird man leicht einsehen, wenn wir den Inhalt jeden Theiles erzehlen. Wir erinnern noch zuvor, daß dieses Werk in Briefen verfaßt sey, ohne daß es sonst die Eigenschaften des Briefstils habe. Man lasse das Monsieur am Anfange, und das ie suis am Ende weg, so wird man eine ziemlich trockene dogmatische Abhandlung haben. Wir setzen auch noch hinzu, daß bereits ein Theil der hier abgehandelten Sachen zu anderer Zeit und in andern Schriften vom Hrn. Verf. vorgetragen worden. Im ersten Theile von 360 Seit. hält der Verf. für nöthig, daß ein gelehrtes Tribunal errichtet werde, das über die Werke großer Männer unpartheyisch richte, die Missbräuche, welche sich in die Republic der Gelehrten eingeschlichen, verbessere, den wahren Character der Gelehrten schildere, alle Geheimnisse der Gelehrsamkeit hervorziehe, und Dinge in ihrem wahren Lichte zeige die dem Publico weniger ehrwürdig scheinen würden, wenn sie minder versteckt wären. Dieses zu beweisen, braucht er folgende Sätze: Aus der Verschiedenheit der Meinungen der Gelehrten kann man leicht schliessen, daß in ihren Werken Irrthümer sind, die Gelehrten sind für ihre Meinungen eingenommen, sind unter einander uneinig, die berühmtesten von ihnen haben lächerliche, wunderbahre und närrische Meinungen behauptet: sie haben die Religion in ihre Streitigkeiten gemengt, und ihre Widersacher verläumdet. Alles dieses wird bis S. 108. mit Exempeln vom Verf. erläutert, welche freylich bey dieser Materie nicht selten sind. Dieses war gleichsam der Eingang, nach welchen der Verf. auf die Theologen alter und neuerer Zeiten kommt. Die grösten Theologen, sagt er, haben bisweilen unkeusche und wollüstige Ausdrücke und Bilder gebraucht, unnütze Fragen gethan, und sich um Sachen bekümmert, die dem menschlichen Verstande zu hoch sind, grobe Irrthümer behauptet, in einem und eben demselben Buche verschiedene und sich widersprechende Meinungen vorgetragen, in ihrer Schreibart 442|443 Fehler begangen, andern mit heftigen Schimpfwörtern begegnet. – Diese Missbräuche, welche er verbessert haben will, werden weiter im zweyten Theile von 360 Seit. ausgeführt. Hier redet er von dem Missbrauche, den die alten und neuen Theologen mit den Wunderwerken getrieben haben, von den Cabalen und heimlichen Intriguen der Theologen, von dem Missbrauch der Propheceyungen. Der Verf. handelt dieses nun alles weitläuftig ab, und unterstützt jeden seiner Sätze mit Beyspielen. Kirchenväter, Jansenisten, Molinisten, Jesuiten, Luther, Scheffmacher, und noch viele andere, müssen ihm die Beweise geben, und er vergnügt sich, einige Scherze dabey anzubringen. S. 119 kommt er auf die Philosophen, bey denen er erstlich ihre Moral untersucht, denn ihre Erkenntniß von Gott, ferner ihre Meinungen vom Wesen der Seele prüft, und endlich zeigt, wie weit sie in Erkenntniß der Physik gekommen sind. Dieses aber geschieht nicht überhaupt, sondern man findet jedes Philosophen Meinungen bey seinem Leben beygefügt. Zuvor noch werden 2 Erinnerungen gemacht: Man setzt sich der Gefahr zu irren aus, wenn man von den alten Philosophen nach dem urtheilt, was viele alte Schriftsteller und vornehmlich die Kirchenväter von ihnen gesagt haben: auch die neuen Autoren sind über das Verdienst der alten Weltweisen nicht einig. Denn werden folgende Philosophen beschrieben: Pherecydes, Thales, Pythagoras, Heraclitus, Democritus, Socrates, Plato, Xenocrates, Aristoteles, Diogenes, Evicur, Zenon, Cicero. Hierauf sucht der Verf. von Seit. 228. an zu beweisen: daß die Alten keine andere als sehr verwirrte Ideen von der Gottheit gehabt, und daß von ihrer Erkenntniß des Wesens der Seele nicht viel besser zu urtheilen sey. Den Anfang des dritten Theils von 407. Seit. macht eine Beschreibung der physikalischen Erkenntniß der Alten, welche sehr zu ihren Vortheil und Nachtheil der neuen ausgefallen ist. Wir führen nur folgende Sätze an: C' est que les Physiciens modernes connoissent bien peu de choses, qui 443|444 n' ayent été sues ou du moins apperçues par quelques uns des anciens Philosophes – von den Neuern sagt er: ils ont beaucoup perfectionné la Physique expérimentale. Mais pour ce qui regarde celle, qui n' est fondée que sur le raisonnement, on n' est guere plus avancé aujourd´hui, qu' on l' etoit il y a deux mille cinq cens ans. – Die hier beurtheilten Philosophen sind Pherecydes, Thales, Anaximander, Anaximenes, Anaxagoras, Pythagoras, Heraclaitus, Empedocles, Plato, Aristoteles, Xenophanes, Parmenides, Mecrez, Seneca, Plinius. Nachdem er noch einige nachgeholt hat, als den Plutarch, Diogenes Lacritius, Kaiser Julian; so kommt er S. 159. auf die neuern Philosophen, und nimmt eben die angeführten Punkte zu seinem Augenmerke. Er redet erstlich von Avicenna, Averroes, Albertus Magnus, Thomas, Cardan, Montagne, Baco, La mothe Le Bayer, Berigard, Gassendi, Cartesius, Mallebranche, Spinosa, Hobbes. Im vierten Theile, welcher 411 Seit. beträgt, folgen Locke, Leinitz, (ein in Berlin lebender Philosoph hätte sich doch wohl schämen sollen S. 76. zu schreiben: Mr. Wolf, ci devant Professeur à Halle et présentement à Marbourg, Bayle, Fontenelle, Newton, Voltaire, Keill, Maupertuis (der Hr. Verf. erzehlt als ein Augenzeuge dessen gehabte Streitigkeiten mit Voltairen, sehr zum Vortheile des letztern) Gravesande, Regnant. Der H. v. prüft die Meinungen dieser Männer, breitet sich weitläuftig über sie aus, und sagt seine Meinung von denselben. Er erzehlt auch ihr Leben, ihre Streitigkeiten und Charakter, z. E. von Baylens Tode haben wir S. 130. eine besondere Anecdote gefunden. Er kömmt im fünften Theile von 244. S. auf die Geschichtschreiber, und fängt vom Herodotus, Thicydides, Xenophon, Polybius, Diodorus Siculus an, geht auf den Dionys von Halicanaß, Josephus und Plutarch fort, und im sechsten Theile von 256 Seit. handelt er vom Arian, Appian, Dio Caßius, Herodian, Zosimus, Procopius, Agathias, Eusebius 444|445 u. s. w. Der Verf. erzehlt dieser Schriftsteller Leben und Schriften, führt anderer Urtheile von ihnen an, und giebt Beyspiele ihrer Schreibart. Wir erinnern uns hier nicht neue Gedanken oder Anmerkungen gefunden zu haben. Das meiste ist zur Genüge bekannt, und man findet es in den gemeinsten Büchern. Ueberhaupt müssen wir dieses von dem ganzen Werke sagen, von welchem wir noch mehrere Theile zu erwarten haben, daß wir nicht das Neue darinnen gefunden, welches wir gehoft. Man setze hierzu die gedehnten Erzehlungen dieser bekannten Sachen, die beständige Begierde des Verf. munter zu schreiben, welche ihm einigemahl übel gelungen ist, die Einförmigkeit im Scherz und in Beyspielen, und man wird dasjenige nun wissen, was uns beym Lesen missfallen hat. Hingegen missen wir auch an dem Verf. eine ziemlich ausgebreitete Wissenschaft, die noch dazu bey Männern seines Standes was seltenes ist vielen Scharfsinn in Beurtheilung philosophischer Meinungen, einen großen Fleiß, und vornehmlich die Liebe zur Warheit, und die Unpartheylichkeit loben, die uns ihn von einer sehr ehrwürdigen Seite vorstellt. Einige Lieblingsmeinungen des Hrn. Marquis haben wir gleichfalls bemerkt: allein seine
übrige Mäßigung und Behutsamkeit hat uns sehr gefallen .
Berlin.
Haude und Spener verlegen: Histoire de l' Esprit humain, ou Mémoires secrets et universels de la Republique des lettres par M. Jean Bapt. De Boyer Marquis d' Argens, Chambelan de S. Maj. Le Roi de 621|622 Prusse, Directeur de la Classe de Belles-Lettres dans l' Academie Roiale des Sciences de Berlin. 1767. 7 Band 315 S. 8 Band 659 S. 9 B. 550 Seiten im kl. 8. – Wir haben schon zu einer andern Zeit unsere Meinung von dem Werthe dieses Werks und der Denkungsart des Hrn. Marquis d' Argens geäussert. Nach dem Durchlesen dieser drey angezeigten Bände sind wir noch mehr darinnen bestätiget worden, daß der Herr Marquis zwar viel Fleiß und Mühe angewandt, daß aber sein Werk nie für eine Geschichte des menschlichen Verstandes gehalten werden könne. Es stehet so sehr viel darinnen, daß auch in dem allerentferntesten Verstande nicht hierher gerechnet werden kann. Wozu die langen aus andern Schriftstellern z. B. aus dem Fabricius abgeschriebenen Lebensbeschreibungen von Männern, die oft nicht den geringsten Einfluß auf den Verstand des ganzen menschlichen Geschlechts gehabt haben? wozu die oft viele Seiten belästigenden Stellen aus Autoren, die, wenn sie griechisch sind, mit einer lateinischen, und manchmal noch darzu mit einer französischen Uebersetzung begleitet sind? Vermuthlich nur, um viele Seiten, Blätter und Bogen zu füllen. Es ist auch gar keine Ordnung von dem Hrn. Marquis beobachtet worden. Fällt er auf eine von seinen Lieblingsmaterien z. B. auf die Jesuiten, auf die alten Kirchenlehrer u. s. f.; dann wird gleich eine lange Ausschweifung gemacht, die gar nicht zur Sache, von welcher eben die Rede ist, gehöret. Doch, wir wollen itzt nicht von dem Werthe des Buchs, sondern von dessen Innhalte reden. Der siebende Theil also fängt mit den Römischen Geschichtschreibern an. Zuerst wird nach Anleitung des Fabricius von einigen verlohren gegangenen historischen Werken der Römer gehandelt. Dann folgen die, welche noch vorhanden sind: Sallust, Jul. Cäsar, Livius, Vellejus Paterculus, Curtius, (hier giebt eine Stelle im Curtius dem Hrn. Verf. Gelegenheit, alle Kaiser, deren Leben Sueton beschrieben, durchzugehen, um zu sehen, wie viel ihrer von der Knabenliebe frey geblieben. Er findet derselben nicht mehr, als zwey.) Nepos, Valerius Maximus, Tacitus, Fiorns, Sueton, (die Offenherzigkeit dieses Biographen wird gerechtfertiget), Justin, (hier ist wieder eine lange Ausschweifung über die Stelle des Justins, in welcher von den Juden die Rede ist), die Geschichtschreiber der Historiae Augustae, Aurelius Victor, Ammianus Marcellinus, Eutrop. Es folgt eine Betrachtung über den Verfall der schönen Wissenschaften und ihrer Wiederherstellung; zugleich wird in den Noten vom Symmachus, Boethius und Cassiodor, dann von neuern, hauptsächlich von französischen Geschichtschreibern, und endlich von den vornehmsten Reisebeschreibungen geredet. – Im achten Bande folgen die griechischen Dichter, Homer Hesiodus, Anakreon, Pindar, Sappho, Theokrit, Bion und Moschus, Aeschylus, Sophokles, Euripides, Aristophanes, Menander, Orpheus, Simonides, Archilochus. Gleich darauf macht der Hr. Marquis Anmerkungen über das Englische Theater, die aber sehr unvollständig und unzuverläßig sind. Ferner über das spanische Theater. Dann redet er von verschiedenen griechischen Schriftstellern, z. B. vom Timäus, Ocellus Lucanus, (bey beyden werden wiederum viele fremde Dinge eingemischt) Epiktet, (nebst einer langen Anmerkung über den Abraham und Abimelech), Theophrast, Heliodor, Longus, Cornutus, Paläphatus, Aelian, Eratosthenes, Lucian, (der Hr. Verf. hält sich hier lang bey den Stellen von den Christen auf, die in den Werken des Lucians vorkommen) neuere Schriftsteller, die den Lucian in seinen Gesprächen nachgeahmt haben, z. B. Fontenelle, Littleton; unerwartete Anekdoten von dem seel. Premontval; Athenäus, Sextus Empiricus, Pausanias, Polyän, Strabo, Maximus Tyrius, Stobäus, Themistius. – Der neunte Band fängt mit den Römischen Dichtern an. Es wird folglich hier gehandelt 623|624 vom Virgil, vom Lucan (von welchem der Hr. Verf. mit andern ganz falsche Begriffe hat; eigentlich führt er nichts an, als was der Herr von Voltaire davon gesagt hat), vom Statius, Lucrez, Lucilius, Horaz, (hier wird weitläuftig wider den P. Harduin disputiret) Persius, Juvenal, Plautus, Terenz, von den Tragödien, die dem Seneca beygelegt werden, vom Catoll, Tibull, Properz, Corn. Gallus, Ovid, Martial, Phäder, Auson, Claudian. Es folgen einige Prosaisten, nämlich: Petron, (von S. 438 - 494 giebt eine Stelle des Petrons dem Hrn. Marquis Gelegenheit, seinen Eifer gegen die Jansenisten und Jesuiten zu äussern) Apulejus, Gellius, Aeneas Sylvius, Curtius Inghiramus, Alphonsus Ciccarellus, Hieronymus de la Higuera. Am Ende bekommen die Jesuiten noch eine Lection.
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