Compte rendu
d' Ocellus Lucanus et de Timée de Locres, in: Göttingische Anzeigen von gelehrten Sachen, 40ième morceau du 4 avril 1765, p. 324-328:
Berlin.
Wir nehmen zwey bey Haude und Spener von dem Herrn Marquis d' Argens in einerley Absicht, und nach einerley Methode herausgegebene Bücher zusammen. Das erste ist die Uebersetzung des Ocellus Lucanus: 324|325 und das andere des Timäus Locrensis: jenes von 307: dieses von 405 Seiten in 8. Der Verf. hat die Absicht gehabt, durch die Ausgabe dieser Bücher das Studium der Historie der Weltweisheit zu befördern, und diese aus ihren Quellen herzuleiten. Da diese beyden Schriftsteller die Gedanken der Philosophen vor dem Socrates, Plato und Aristoteles über die Metaphysic, Physic, und Moral enthalten, so hat er sie gewählt. Man kann sie auch, als eine Folge der Philosophie du bon sens betrachten. Was die Uebersetzung selbst anbelangt, so ist wohl nicht zu leugnen, daß sie aus dem Griechischen selbst gemacht. Wir sagen nicht, daß sie nicht an manchen Orten genauer seyn könnte, und daß nicht ein Kunstrichter bisweilen wünschen sollte, den Nachdruck einiger Griechischen Redensarten auch im Französischen zu finden: ja einige Mal im Ocellus Lucanus hat der Verf. einige Versehen begangen, die nothwendig eine Verbesserung verlangen. Allein bey dem allen unterscheidet er sich doch von vielen Uebersetzern der Alten unter seinen Landsleuten auf eine ihm löbliche Art. Man kann auch hierher rechnen, daß er Bedenken getragen seinen Schriftsteller zu modernisiren, oder wie er sich selbst an einer Stelle ausdrückt, seinen Lesern un ouvrage parisien – grec zu übergeben, sondern daß er ihnen den simplen Thon und den ungeschminkten Ausdruck des Alterthums gelassen habe. Wenn er nun dem Leser zu Hülfe zu kommen, den Gedanken des Originals zu erweitern und auszudehnen für nöthig gefunden hat, so ist der Zusatz allezeit mit anderer Schrift bezeichnet. Dem Griechischen Text gegen über ist auf eben der Seite die Uebersetzung, welcher unten die Anmerkungen des Uebersetzers beygefügt sind. Es sind dieselben von einer besondern Art. Der V. breitet sich so weitläuftig aus, daß man die Griechischen Schriftsteller oft gar darüber vergisst, und die Anmerkungen sind so weitläuftig, daß man wohl bisweilen Mühe hat, das Original zu finden. Er ist in denselben Kunstrichter, 325|326 wenn er seine Uebersetzungen rechtfertiget: Philosoph, Geschichtschreiber, Redner, wenn er wider die Journalisten von Trevour eifert, und nicht selten Theologe: ja er nimmt wohl so viele Gestalten und Wendungen an, daß er den Leser in Ungewissheit setzt. Wir haben an mehr als einem Beispiele gesehen, daß er Anfangs Zweifel zu erregen und alles hervorzubringen sucht, eine Meynung ungewiß zu machen: plötzlich verlässt er dann seinen Leser: verweiset ihn auf das Ansehen der Kirchenväter, und befiehlt ihm zu glauben. Es sind auch sehr viele bekannte Sachen in diesen Anmerkungen, die er mit einer unnöthigen Weitläuftigkeit erklärt. Um unsern Lesern Beyspiele von dem, was wir bisher gesagt, zu geben, wollen wir nur einiges anführen. Im Ocellus Lucanus S. 3 – 9. redet er von der Meynung der alten von der Ewigkeit der Welt, und er glaubt, daß dieses System natürlicher und weniger Schwierigkeiten unterworfen gewesen, als das, welches ihr einen Anfang beygelegt. S. 28 – 43. erzählte er die Schwierigkeiten und Dunkelheiten, welche mit dem Untersuchen der Natur unserer Seele verbunden sind, und mit der Meynung, daß sie von der Natur des Körpers unterschieden sey: er setzt dieses weiter fort, und S. 48 behauptet er, daß es nur die Offenbahrung sey, der wir alle Wissenschaft von der Ewigkeit, Natur und Dauer unserer Seele schuldig wären. S. 77 – 81. wird die Meynung der Pythagoräer, über den Urstoff der Dinge erklärt. S. 97 – 108. redet er von dem ziemlich abgeschmackten Mährchen von der Liebe der Engel gegen die Weiber, und S. 109 – 130 vergleicht er die Lehre der Philosophen von daemonibus mit der Lehre der alten und neuen Theologen von den Engeln. S. 140 – 160. wird von der Wollust beym Beyschlafe gehandelt: ob er sündlich sey, untersucht, und ob Adam, wenn er nicht gesündiget, im Paradiese die Eva würde erkannt haben, gefragt. S. 161 – 172 weitläuftig die Abneigung der Kirchenväter gegen den Ehestand beschrieben. 326|327 S. 174 – 179 wird von eben derselben Verbot wider den Beyschlaf, nach geschehener Conception geredet. S. 183 – 192 ereifert er sich mit vielen Worten wider die Bosheit, Zanksucht und Niederträchtigkeit der Gelehrten, und S. 194 – 209 über die Verschwendung, den Aberglauben in einigen Ländern, und über den Verfolgungsgeist, bey welcher Gelegenheit den Jesuiten sehr nachdrückliche Wahrheiten gesagt werden. S. 218 – 225. wird untersucht, ob einem Verschnittenen erlaubt sey, zu heyrathen. S. 237 – 248. zeigt der V. seine Verachtung gegen den la Mettrie: redet von seinem schlechten Charakter, und bringet vieles zur Ehre der deutschen Gelehrsamkeit vor. S. 249 – 260 wird ein Abriß der Ausschweifungen verschiedener Päpste und besonders Alexanders VI. gegeben. S. 271 – 281 kommt der V. auf die angebohrnen Ideen, und verwirft die Meynungen derer, welche sie geglaubt, und mit einer starken Beredtsamkeit tadelt er S. 301. die Theologischen Unruhen in Frankreich. Diese Stelle schließt sich mit folgenden Worten: O Anglois ennemis éternels d' un peuple, plus aimable que vous, mais bien moins consequent dans ses idées, que toutes ces pueriles et ridicules contestations doivent vous amuser, pendant, que vous prenez les Indes Orientales et Occidentales! ---- Wir werden nicht nöthig haben, nach dieser Anzeige noch viel von dem Timäo zu sagen, in welchem der V. eben dieser Methode gefolgt ist. Das hauptsächliche ist ohngefehr dieses: S. 21 – 62. erklärt er die Lehre der Pythagoräer von den zwey Principiis der Dinge, und handelt von der Leibnitzschen Meynung von der besten Welt, und von dem Ursprunge des Bösen in der Welt. S. 107 – 123 wird von den numeris pythagoricis viel bekanntes wiederholt. S. 125 – 175. redet ein Marquis d' Argens von den verschiedenen Methoden die heil. Schrift zu erklären, von den verschiedenen Lesarten, von der Meinung des P. Simon, von den öffentlichen Schreibern bey den Hebräern: von dem Nutzen und der Nothwendigkeit 327|328 eines obersten Richters in Religionssachen. Nichts unbekanntes enthält S. 185 – 200 die weitläuftige Erklärung der Systeme des Ptolemäus, des Copernicus, und des Tycho Brache: auch nicht der weitschweifigte Discours S. 243 – 278. über die Hermaphroditen und über die seltsame Meinung von der im Adam bey seiner Schöpfung verbundenen beyden Geschlechtern. Besser hat uns gefallen, was S. 311 – 335. von der Musik, Mahlerey, und Poesie gesagt wird. Aber plötzlich kömmt er wieder S. 338 auf die Jansenisten und Molinisten: vertheidigt den Julian, verabscheut einen Malagrida, und redet mit seinen Vertheidigern und Anstiftern in einem sehr ernsthaften Thon.
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