Compte rendu des Réflexions historiques & critiques sur le gout & sur les ouvrages des Principaux Auteurs anciens & modernes, in: Freymüthige Nachrichten von neuen Büchern und andern zur Gelehrtheit gehörigen Sachen, 31ième morceau du 29 juillet 1744, p. 241-243:
XXXI. Stück. Mittwochs, am 29. Heumonat, 1744.
Berlin. Der Herr von Argens hat seine Schriften wiederum mit den Reflexions historiques & critiques sur le gout & sur les ouvrages des Principaux Auteurs anciens & modernes vermehret. Ein Brief an den Hrn. Geheimen Rath Jordan, welchen er diesem Buche vorgesetzet, vertritt die Stelle einer Vorrede. Der Hr. Verfasser erklärt sich darinnen, daß er sich vorgenommen, einer gewissen Art Leute, die er Weltleute nennet, und deren wahren Character man leicht errathen kann, die Schönheiten der alten und neuern vor Augen zu legen, nebst dem Urtheile, welches Leute von gutem Geschmacke über diese Scribenten fällen. Wir finden diese Absicht sehr lobenswürdig, und wünschen nichts mehr, als daß der Herr von Argens uns bald die übrigen beyden Theile dieses Werks liefern möge, wie er in diesem Briefe versprochen hat. Denn gegenwärtiges Buch ist nur als der erste Theil anzusehen, der dasjenige, was den guten Geschmack an den neuern Schriftstellern betrifft, in sich fasset. Wir erwarten den zweyten Theil, der die alten betreffen wird, mit so grossem Verlangen, als den dritten, welcher von den Künsten handlen soll, und den uns der Hr. Verfasser in einer Art von Briefen an den in der That geschickten Hrn. Von Kayserling, mitzutheilen Hofnung gemacht hat. Wir zweifeln nicht, daß der Hr. von Argens auch diesem
241|242
grossen Gegenstande gewachsen seyn wird, sondern versprechen uns eine artige Sammlung von Merkwürdigkeiten, die wir im Voraus als einen schönen Beytrag zum guten Geschmacke betrachten. Gegenwärtiges Buch macht uns die Erkenntnis eines Schriftstellers kund, der an dem, was er gelesen, das schöne und mittelmäßige mit vieler Fähigkeit wahrgenommen und unterschieden hat. Seine Abhandlung von dem Geschmacke überhaupt, mit der er den Anfang macht, sucht einen Begriff von demselben festzusetzen, und ist an lebhaften Einfällen nicht arm. Nur ist zu bedauern, daß er sich zu wenig bey einer Sache aufgehalten, über welche ein so witziger Kopf, der sonst den Verstand und Witz durch so verschiedene Schriften belustiget hat, auch hier vortreffliche und nützliche Anmerkungen hätte machen können. Jedoch da wir keine Ursache haben, an der Geschicklichkeit des Hrn. Verfassers zu zweiffeln, so muß er vermuthlich seine besonderen Gründe zu dieser flüchtigen Kürze gehabt haben. Wir errathen indessen doch, was er durch den Geschmack hat verstehen wollen, ob er sich gleich selbst kaum die Zeit genommen, es uns zu sagen. Er erkläret sich zwar, je definis le gout un sentiment naturel, perfectionnè & eclairè par une connoissance parfaite de tout ce qui peut rendre brillant, net, precis, profond, les matieres qu'on traite ; Allein man siehet leicht, daß dieses eine in der Eil erschaffene Definition ist, welche den Instanzen wider die Enge, und wider die Weite noch ziemlich unterworffen seyn dürfte. Nach dieser kurzen Abhandlung machte er über die, welche von dem Geschmacke geschrieben haben, einige Anmerkungen. Er lobt den Ravin so sehr, als er den Bouhours wegen des Beyfalls, den er dem Bußi Rabutin, gegeben, tadelt. Den Baillet, der durch den Antibaillet des Hr. Menage am meisten nach seinem Verdienste gezüchtiget worden, vergißt er gleichfalls nicht als einen Schriftsteller anzuführen, den der Mangel des Geschmacks von dem geringsten Berufe zum Kunstrichter ausgeschlossen hat. Besonders hält er sich bey dem unglücklichen Urtheile auf, das diesem Manne über den Moliere entfahren ist, und hat hierinnen so recht, als in allem übrigen, was er wider ihn einzuwenden, für nöthig befindet. Das dritte Stück in der Ordnung ist eine Prüfung des von dem Hrn. Voltaire verfertigten Temple du gout. Hierbey hat sich der Hr. von Argens in der That viele Mühe gegeben, und wir finden diese Beurtheilung, wo nicht eines besondern Vorzugs, doch eines grossen Beyfalls würdig. Sein Lob und sein Tadel, welche er dem Hrn. Voltaire ertheilet, sind unpartheyisch und gut bewiesen. Denn so groß auch die Einsicht dieses Dichters in den Geschmack ist, so kann ihm der Hr. Verfasser doch nicht übersehen, daß er den grossen Bayle angegriffen, und die Güte seiner Werte in einen Folianten einzuschränken gesucht hat. Man kann dem Hrn. von Argens zutrauen, daß er den Bayle wider diesen Vorwurf nicht würde vertheidiget haben, wenn er nicht überzeugt wäre, was für trefflichen Nutzen ihm die Schriften dieses grossen Gelehrten bey der Verfertigung seiner Memoires secretes de la Republique des Lettres geleistet haben. Zudem hat Hr. Voltaire zuweilen seine Ursachen gehabt, die mehr politisch als gelehrt gewesen, an den größten Leuten etwas zu tadeln, wovon der wahre Grund nur in seinem Willen gelegen hat. Er wäre zu wünschen, daß sich nach des Hrn. von Argens Art jemand die Mühe nehme, den Tempel des Geschmacks, der vor einiger Zeit in deutscher Sprache als ein Original=Stück geschrieben worden, etwas genau zu untersuchen. Man würde bey diesem löblichen Vorhaben nicht so wohl auf die Besserung des Geschmacks der Deutschen zu sehen haben, denn wir sind versichert, daß die wenigsten an diesem deutschen Tempel Theil haben; als auf die Ehrenrettung unserer Landsleute, welche bey andern leicht in den Verdacht gerathen können, als würden sie den Verfasser dieser nicht so übel gerathenen Nachahmung für ihren Richter erkennen. Philippi hat auch würklich im Namen der Deutschen kleinern Geister derowegen eine öfentliche Antung gethan. Gegenwärtig hoffen wir, den Lesern nicht zu mißfallen, wenn wir
242|243
ihnen ein Verzeichnis dererjenigen Schriftsteller mittheilen, über welche sich die Critick des Hr. von Argens in diesem Buche erstreckt. Denn die verdrüßliche Weitläufigkeit wäre unvermeidlich, wen wir von jedem einen besondern Auszug machen wollten. Die Scribenten, die der Hr. Verfasser beurtheilet, sind folgende : Racine, bey welcher Gelegenheit er eine Vergleichung zwischen dem Corneille und diesem Dichter macht : La Fontaine, Thomas Corneille, Campistrori, Crebillon und dessen Sohn, Nicolas und Gilles Boileau, Regnier, Moliere, Regnard und andere comische Scribenten, Rousseau, Malherbe, Racan, la Deshouliercs, la Suze, Fontenelle, Voltaire, Balzac, Patru, le Maitre, Bourdaloue, Flechier, Massillon, Boussuet, Saurin, Montaigne, la Bruyere, du Bose, und der Abt des Fontaines. Er führet meistentheils ganze Stellen aus ihnen an, und überläßt dadurch dem Leser selbst des Ausspruch, ob er gründlich geurtheilet oder nicht. Uebrigens ist dieses Buch mit einer Leichtigkeit geschrieben, welche dem Hrn. von Argens natürlich ist, und die überall in seinen Schriften herrschet. Wollte man ihm einwenden, daß es von seinen meisten Urtheilen ein wenig zu sehr hiesse, nihil dixit, quod non dictum sit prius, so bleibet es doch allemahl gewiß, daß er uns eine Sammlung geliefert, die wir wegen der Bequemlichkeit hoch schätzen können. Wir sind versichert, daß denen, die sich mit seinen Briefen die Zeit verkürzet haben, auch dieses Buch gefallen wird, welches der Hr. Verfasser selbst mit seinem Namen bekannt zu machen gewürdiget hat. Wir machen uns die angenehme Hoffnung, künftig mehr Schriften von ihm zu lesen, zumahl da er jetzo in allem mehr Gemächlichkeit hat, frey und aufgeweckt zu denken, als zu der Zeit, da er sich doch nicht abhalten ließ, uns durch seine Briefe, und besonders die Philosophie de bon Sens zu erfreuen. Ist bey den Verlegern dieser Nachrichten für 1 fl. 15.kr. zu haben.
|