Argens. Die Boyer von Argens waren ein angesehenes Geschlecht in Provence, welches indessen erst durch den Freund des großen Friedrich, Jean Baptist von Boyer, Marquis von Argens, geb. 1704 zu Aix-en-Provence, über die Grenzen Frankreichs hinaus bekannt geworden ist. Argens hatte in dem Heere gedient, welches der Marschall Herzog von Berwick (Bastard König Jacob's II. Stuart, den ihm Lady Arabella Churchill, Schwester Malborough's, geboren) an den Rhein führte. Ausschweifungen, Schulden, Zerwürfnisse mit seiner Familie nöthigten ihn zu flüchten, und er ging nach Holland, um dort von seiner Feder zu leben. Dort schrieb er, Montesquieus persische Briefe nachahmend, jüdische Briefe, kabalistische Briefe, chinesische Briefe, eine stattliche reihe von Bänden, in welchen das, was man damals Philosophie und Aufklärung nannte, eifrig gepredigt und das herrschende politische und kirchliche System mit einigem Scharfsinn, aber noch viel mehr Frechheit angegriffen wurde. Kurz, Argens gehörte zu jenen sogenannten Philosophen, welche nicht die Missbräuche in Staat und Kirche angriffen, sondern den Staat und die Kirche selbst. Voltaire, der Meister dieser Schule, die im Guten wie im Bösen ungeheuer gewirkt hat, empfahl Argens dem damaligen Kronprinzen Friedrich von Preußen, und dieser lud den Marquis nach Rheinsberg ein. Letzterer aber folgte der Einladung nicht, weil er fürchtete, König Friedrich Wilhelm I. werde ihn seiner ansehnlichen Leibeslänge wegen unter die Potsdamer Garde stecken. Erst nach Friedrich Wilhelms I. Tode kam | er nach Berlin und wurde königlicher Kammerherr, so wie auch Director der Klasse der schönen Wissenschaften an der Berliner Akademie. Argens war ein sehr guter Gesellschafter, die Mannichfaltigkeit seiner Kenntnisse war erstaunlich und die Oberflächlichkeit derselben verschwand unter der Sicherheit, mit welcher der Franzose und der Marquis sich zu geben wusste. Die Mode-Philosophie, die er predigte, fasste er in seiner philosophie du bon sens zusammen, die, wie alle werke dieser Art, Aufsehen machte und dann vergessen wurde. Keines der Werke des Marquis des Marquis d'Argens reicht an die Lebendigkeit und Originalität der persischen Briefe Montesquieu's, keines an den feinen Geschmack der englischen Briefe Voltaire's. Man müsste sich wundern, wie ein König, wie der große Friedrich, einen solchen Mann seinen Freund nennen konnte, wenn man nicht wüsste, wie sehr den großen König das Talent der Unterhaltung fesselte; Argens aber, der sich überall, auch in Konstantinopel, Italien und Spanien herumgetrieben hatte, bevor er nach Holland kam, musste wohl Erfahrungen, Anekdoten und Anschauungen in menge gesammelt haben, und das verstand er geltend zu machen. Übrigens hatte der unglückliche Mann viel von dem Spott und dem erbarmu8ngslosen Witz des großen Königs zu leiden, besonders seitdem er die Schauspielerin Cochois geheirathet hatte. Fortwährend kämpfte Argens in Potsdam mit dem Heimweh nach dem milden Himmel seiner Heimath. Friedrich gestatte ihm Reisen dahin, erzwang aber seine Rückkehr jedes Mal bald wieder durch die Drohung, ihm seine Pensionen zu entziehen. Im Jahre 1769 war Argens mit der Cochois nach der Provence gegangen. Er starb 1771 auf dem befohlenen Rückwege nach Potsdam. Der König ließ ihm auf seinem Grabe ein Denkmal setzen. Argens' philosophische sind unter dem Titel Oeuvres 1768 in 24 Duodezbänden erschienen. Außerdem ist der Marquis d'Argens Verfasser verschiedener sehr schlüpfriger Romane und mehrerer apokrypher Memoiren von theils ganz erdichteten, theils wirklichen Personen. Die unächten Memoiren des Grafen Bonneval, der als türkischer Pascha starb, sind u. A. von Argens. Dergleichen Memoiren und Romane waren damals nebst der destructiven Mode-Philosophie die Hauptartikel, mit welchen die holländischen Buchmacher Frankreich und die französierten Kreise der ganzen Welt überschwemmten.